"Jedes Leben, zu dessen Rettung wir beitragen können, macht einen Unterschied."
Rebekka Frick ist Expertin für reproduktive Gesundheit bei der Emergency Health Unit – dem medizinischen Notfallteam von Save the Children, das in humanitären Krisen weltweit Hilfe leistet. Wenn ein Notfall eintritt, koordiniert Frick vor allem Hilfsprogramme, die Frauen vor, während und nach einer Geburt sowie deren Kinder versorgen. Hier erzählt sie, was ihr in schwierigen Zeiten Hoffnung macht.
Als ausgebildete Krankenschwester und Hebamme weiß Frick, vor welchen Herausforderungen werdende und stillende Mütter in humanitären Krisen stehen. Die COVID-19-Pandemie erschwert ihren Zugang zu medizinischen Hilfsangeboten zusätzlich. Dadurch kommt es in Krisenzeiten oft zu einem Anstieg der Müttersterblichkeitsrate, wie Auswertungen vergangener Epidemien zeigen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, plädieren etwa die Vereinten Nationen dafür, Frauengesundheit bei Noteinsätzen verstärkt zu fördern. Genau das ist Rebekka Fricks Leidenschaft. Hier berichtet sie von ihrer Arbeit bei der Emergency Health Unit und von einem Moment, der ihr besonders in Erinnerung geblieben ist.
Welche Aufgaben übernehmen Sie bei Noteinsätzen der Emergency Health Unit (EHU)?
Als Expertin für reproduktive Gesundheit leite ich bei einem Noteinsatz die Gesundheitsangebote der EHU für Frauen, darunter vor allem werdende Mütter und Mädchen, an.
Diese Angebote unterscheiden sich von Einsatz zu Einsatz. So schulen wir zum Beispiel mobile Gesundheitsteams in der Schwangerschafts-, Geburts- und Nachkontrolle. Darüber hinaus helfen wir lokalen Teams dabei, Familienplanung und Gesundheitsaufklärung an abgelegenen Orten durchzuführen. Dies ist insbesondere nach Katastrophen wie Wirbelstürmen und Überschwemmungen wichtig, da in solchen Fällen viele Menschen von den bestehenden Gesundheitsdiensten abgeschnitten sind.
Bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten richten wir etwa Behandlungszentren ein, stellen Informationen für Gemeinden bereit oder unterstützen bei Impfkampagnen. Ich sorge dann vor allem dafür, dass wir auf die Bedürfnisse von schwangeren und stillenden Müttern eingehen und ihre bestmögliche Versorgung sicherstellen. Wir arbeiten immer mit unseren Teams und Partnern vor Ort zusammen, da sie die jeweilige Landessprache sprechen und den akuten Bedarf am besten kennen.
Was war eine der prägendsten Erfahrungen Ihrer Arbeit bei der EHU?
Meine Arbeit ist sehr erfüllend: Ich arbeite mit einem großartigen und diversen Team von internationalen Kolleg*innen zusammen, denen globale Gesundheit und die Versorgung gefährdeter Bevölkerungsgruppen ebenso wie mir am Herzen liegen. Neben vieler gemeinsamer Projekte sind die prägendsten Erfahrungen meiner Arbeit vor allem die Momente, in denen unser Einsatz großen Einfluss auf die Gesundheit und auf das Überleben von Müttern und Kindern genommen hat.
Einen Fall, den ich nie vergessen werde, war der einer jungen Mutter aus dem Südsudan. Damals leiteten wir eine Cholera-Station in einem abgelegenen Gebiet während eines erneuten Ausbruchs der gefährlichen Durchfallerkrankung. Plötzlich kam ein Mitarbeiter zu mir und fragte, ob ich zu einem kleinen Gesundheitszentrum in der Nähe fahren könne, wo eine hochschwangere Frau schwere Komplikationen erlitten hatte.
Bereits bei der Ankunft war klar, dass die Betroffene schwere Krämpfe gehabt haben musste, sie lag bewusstlos am Boden. Eine örtliche Hebamme und ich suchten nach Medikamenten, um die lebensbedrohliche Komplikation namens Eklampsie zu behandeln. Die nächstgelegene Notfalleinrichtung war zu weit entfernt, sodass wir mit den wenigen Mitteln vor Ort versuchen mussten, die Situation in den Griff zu bekommen.
Es gelang uns, den Bluthochdruck und die Krämpfe zu beruhigen, sowie den Zustand der werdenden Mutter zu stabilisieren. Als sie wieder ansprechbar war, konnten wir sie durch die Presswehen leiten. Einige Zeit später und sehr erschöpft brachte sie ihr Kind – eine Frühgeburt, wie sich herausstellte – zur Welt. Dabei verlor sie sehr viel Blut und benötigte eine zusätzliche Notfallbehandlung. All das spielte sich in einem sehr kleinen und dunklen Raum auf dem Boden ab, während sich vor der Tür immer mehr Menschen sammelten, die gespannt auf das Ergebnis warteten. Wir waren alle sehr erleichtert, als wir unsere Patientin endlich auf eine Matratze verlegen konnten, um es ihr bequemer zu machen.
In den ersten Tagen nach der erfolgreichen Geburt zeigten wir der jungen Mutter bestimmte Techniken, um ihr Kind etwa durch Haut-an-Haut Kontakt bestmöglich warm zu halten und zu stillen. Kurz darauf konnten wir die beiden sicher nach Hause entlassen.
Was gibt Ihnen Hoffnung, die dringend benötigte Unterstützung in besonders schwierigen Zeiten aufrecht zu erhalten?
Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig Gesundheit ist und dass wir alle gemeinsam etwas bewirken können. Ich hoffe, dass Länder bereit sind, mehr in ihre Gesundheitssysteme und ihr Personal zu investieren, um gerechtere und widerstandsfähigere Systeme aufzubauen. Als EHU verfügen wir über das Fachwissen, um einzugreifen, wenn in humanitären Notsituationen zusätzliche Unterstützung im Gesundheitsbereich benötigt wird, und um dabei zu helfen, die Gesundheitsdienste und -systeme zu stärken.