Verhandlungen, Waffenruhen, Schutzzonen – wann kommt endlich der Frieden für Millionen syrische Kinder?
Der Konflikt in Syrien tobt, und das nun schon in seinem siebten Jahr. Damit dauert er nun schon länger als der Zweite Weltkrieg. Insgesamt 7 Millionen syrische Kinder leben in Armut und kennen nur Gewalt, Unsicherheit, Entbehrung. Ganze 13,5 Millionen Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Und allein seit April sind mehrere Dutzend Männer, Frauen und Kinder in dem vom Krieg zerrütteten Land getötet worden.
Die Friedensverhandlungen in Genf unter der Leitung des UN-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, sind bisher ohne konkretes Ergebnis geblieben. Der Waffenstillstand, der Ende 2016 im kasachischen Astana vereinbart wurde, ist eigentlich keiner – er wird täglich gebrochen; täglich kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Am Ende der mittlerweile fünften Verhandlungsrunde in Astana steht nun die Einrichtung von vier sogenannten Schutzzonen in Syrien. Gebiete, in denen nicht gekämpft werden darf und wo Zivilisten sicher sein sollen vor bewaffneten Angriffen. Auf den ersten Blick mag das eine gute Idee sein, um die Zivilbevölkerung im Land zu schützen. Tatsächlich sind solche Zonen aber kein Garant für Schutz und Sicherheit der Menschen, die sich auf den Weg dorthin machen oder sich dort aufhalten. Im Gegenteil: Sie könnten dort vielmehr gezielt angegriffen werden. Sogenannte Schutzzonen müssten außerdem im Notfall militärisch verteidigt werden, insbesondere wenn nicht alle Konfliktparteien deren Einrichtung zustimmen. In Sachen Schutz und Sicherheit ist dies also Augenwischerei.
Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte müssen endlich wieder ernstgenommen werden!
Vor dem Hintergrund all dieser Bemühungen geht der Krieg in Syrien auch in seinem siebten Jahr weiter. Regelmäßig und gezielt werden das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte mit Füßen getreten – diese besagen eigentlich, dass grundsätzlich alle Kinder und Erwachsenen in Syrien ein Anrecht auf Schutz und Versorgung mit humanitärer Hilfe haben. Die Geschehnisse in und um Aleppo im vergangenen Jahr sind aber nur eines von unzähligen Beispielen dafür, dass diese Regeln doch wiederholt und ganz gezielt missachtet werden. Die internationale Gemeinschaft schaut dann oft fassungslos und geradezu hilflos zu. Das darf aber nicht sein! Auf keinen Fall darf aber der Konflikt in Syrien zu einem stetigen, stillschweigend akzeptierten Aushöhlen internationaler Richtlinien und Regelungen und damit zu einer Schwächung grundlegender humanitärer Prinzipien führen. Vielmehr müssen wir jeden Tag dafür eintreten, dass internationales Recht auch – und ganz besonders – in Syrien geachtet wird und dass jegliche Missachtung zur Rechenschaft gezogen wird. Wer sich nicht daran hält, muss mit Konsequenzen rechnen! Andernfalls ist das Signal an Konfliktparteien weltweit verheerend.
Kindheit und Krieg stehen in direktem Widerspruch

Wie immer sind es die Kinder in Syrien, die am meisten leiden. Viele von ihnen mussten mit ansehen, wie ihre Eltern getötet wurden – und alle sind gezwungen, sich in diesem Krieg, der für fast 3 Mio. Kinder der „Normalzustand“ ist, zu behaupten, zu überleben, sich zu verstecken und zu arbeiten anstelle zu lernen – mit anderen Worten: die syrischen Kinder mussten viel zu schnell erwachsen werden. Denn Kindheit und Krieg stehen im direkten Widerspruch zueinander. Immer mehr Kinder in Syrien leiden unter dem sogenannten „toxischen Stress“, die gefährlichste Stressreaktion bei Kindern. Er entsteht, wenn dauerhaft eine große Menge an Stresshormonen ausgeschüttet wird, weil man unter ständiger Angst, Anspannung und Gewalt leidet. Ein solcher toxischer Stress kann lebenslange Folgen haben, und je länger Kinder dieser Stressform ausgesetzt sind, desto langfristiger und verheerender wirkt er sich aus. Dies konnten wir u.a. in einer Studie aufzeigen, die wir anlässlich des sechsten Jahrestags des Konflikts in Syrien veröffentlicht haben . Vor allem deshalb ist es geboten, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und dauerhaften Frieden zu schaffen.
Frieden ist die einzige Option
Das einzige, was den Familien und ihren Kindern in Syrien wirklich helfen würde, ist ein dauerhafter, überwachter Waffenstillstand, an den sich alle Kriegsparteien halten und der den Weg zum Frieden ebnet. Sogenannte Schutzzone bergen ein viel zu hohes Risiko und stellen keine Lösung für den Konflikt in Syrien darf. Grundvoraussetzung für eine politische Lösung und Frieden ist vielmehr, dass in Syrien endlich wieder humanitäres Völkerrecht respektiert und umgesetzt wird, damit ungehinderter Zugang für humanitäre Hilfe in alle Gebiete und der Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Schulen, sichergestellt ist. Und dazu gehören auch das sofortige Ende aller Belagerungen in dem Land und das klare Verbot von Explosionswaffen in stark besiedelten Gebieten. Außerdem müssen diejenigen, die Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht und womöglich Kriegsverbrechen in Syrien begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden.
Save the Children hat diese Forderungen bei jeder Gelegenheit an jeder relevanten Stelle vorgebracht. Und auch die Teilnehmer vom Auswärtigem Amt, Deutschem Rote Kreuz und vom Think Tank GPPi bei unserer Diskussionsveranstaltung zu Syrien anlässlich des Jahrestags am 9. März waren hier einer Meinung .
Wir werden nicht aufhören, immer wieder zu wiederholen, was selbstverständlich sein sollte: Den Kindern in Syrien wird langfristig nur eine bessere Zukunft bevorstehen, wenn Frieden herrscht. Dafür tragen wir heute, hier und jetzt und an jedem einzelnen Tag die Verantwortung. Alles andere ist zu kurzfristig gedacht.