Haselnuss-Lieferkette: Ein Betreuungsmodell für Kinder mit Vorbildfunktion
Im Juni dieses Jahres wurde das Lieferkettengesetz in Deutschland verabschiedet. Anfang 2023 tritt es in Kraft. Wir unterstützen Unternehmen schon jetzt: Mit unserer Arbeit und Beratungstätigkeit zur Einhaltung von Kinderrechten entlang der Haselnuss-Lieferkette wollen wir schnellstmöglich Veränderungen schaffen. Mit Konzepten, die Kinderarbeit vorbeugen – und das Recht auf Bildung aller Kinder in den Mittelpunkt stellen.
67 Prozent aller Haselnüsse auf der Welt werden in der Türkei angebaut. Zwei von drei Nüssen stammen also von dort – und werden auch dort geerntet. Meist übernehmen Saisonarbeiter*innen diese Tätigkeit. Zwei Millionen von ihnen ziehen jährlich acht bis neun Monate lang durchs Land, um zu arbeiten. Von Feld zu Feld, von Ernte zu Ernte.
Die Arbeit ist meist mühselig und schlecht bezahlt. Geschlafen wird in maroden Unterkünften oder Zeltlagern, zum Kochen muss eine einzige Feuerstelle für alle Familien ausreichen. Gerade für die Kinder der Arbeitskräfte hat dieses Leben auf Wanderschaft schwerwiegende Auswirkungen. Sie toben oft unbeaufsichtigt in den maroden Wohnvierteln oder auf den steinigen Feldern umher und müssen ihre Schulbildung unterbrechen, solange sie nicht zuhause sind.
Das sorgt nicht nur für große Lernlücken, sondern untergräbt auch das Recht der Kinder auf Bildung und Schutz. Da das Einkommen der Eltern aber nur knapp zum Überleben reicht, gibt es kaum Alternativen für sie. Stattdessen muss an anderer Stelle angesetzt werden.
Der Schutz entlang der Lieferketten muss gewährleistet sein
Save the Children hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Rechte der Kinder und Jugendlichen entlang von Lieferketten konsequent einzufordern. Gemeinsam mit unserer Tochterfirma THE CENTRE, Lidl und ihrem direkten Lieferanten, dem Lebensmittel- und Agrarunternehmen Olam, haben wir im Jahr 2020 ein anspruchsvolles Pilotprojekt aufgesetzt, um Kinderrechte während der Haselnussernte zu schützen – und zwar über die Einhaltung bisheriger Vorschriften hinaus.
Das heißt, es soll nicht nur Kinderarbeit unterbunden werden, sondern Kinder und Jugendliche sollen darüber hinaus auch die Möglichkeit zum Lernen bzw. für einen Schulbesuch erhalten. Dafür müssen Risiken entlang der verschiedenen Lieferketten ermittelt und konkrete Guidelines zur Umsetzung der Kinderrechts-Policy entwickelt werden. Einen Einblick in den Fortschritt unserer Zusammenarbeit mit Lidl liefert dieses Video, das die Betreuungssituation der Kinder vor Ort deutlich macht und zeigt, wie wichtig die Maßnahmen sind:
Betreuungsangebote und Kinderschutz im Fokus
Verschiedene der von uns aufgesetzten Grundsätze konnten damit bereits in die Realität umgesetzt werden. So entstand während der Zeit der Haselnussernte im August eine sechswöchige “Summer School” mit Bildungsangeboten für Fünf- bis 17-jährige, die durchschnittlich von 50 Kindern und Jugendlichen besucht wurde, sowie ein kinderfreundlicher Betreuungsraum zur Förderung von Kindern bis zu einem Alter von fünf Jahren. Im Februar dieses Jahres konnten viele der Eltern zudem mit einem einschlägigen Training für die Themen Kinderrechte, Gleichberechtigung und Kinderarbeit sensibilisiert werden. Ein wichtiger Schritt, der dabei hilft, zukünftig noch mehr Eltern vom Nutzen unserer Angebote zu überzeugen.
Für die Eltern bedeutet diese vielfältige Form der Betreuung über mehrere Stunden hinweg eine große Entlastung. In den Jahren zuvor waren viele der Kinder und Jugendlichen oft unbeaufsichtigt, während die Eltern gearbeitet haben – oder sie mussten ihre Kinder mit auf die Felder nehmen, wo sie früh zu arbeiten begannen oder hohen Sicherheitsrisiken ausgesetzt waren.
Haselnuss-Lieferkette: Mit gutem Beispiel voran
Mit der “Summer School” konnte ein Angebot geschaffen werden, das Bildung für Kinder und Jugendliche auch über die Erntemonate hinweg gewährleistet hat. Ein Anspruch, der schnellstmöglich innerhalb weiterer Lieferketten geltend gemacht werden sollte. Jedes Kind hat das Recht auf Bildung – unabhängig von den Lebensumständen der Eltern. Ziel des Pilotprojektes ist es daher, auf Grundlage der Erfahrungen und Erkenntnisse ein Modell für wirksame Maßnahmen in diesem Kontext zu entwickeln, das auf verschiedene Lieferketten in der Landwirtschaft anwendbar ist.
Langfristig soll es so gelingen, Kinderrechte entlang der Lieferketten auch unabhängig von Organisationen wie Save the Children zu stärken. Das heißt, die beteiligten Akteure werden mit Hilfe des direkten Lieferanten befähigt, Maßnahmen zur Prävention von Kinderarbeit sowie zum Schutz von Kinderrechten in der Lieferkette zu manifestieren.