Nordsyrien: Einzige Lebensader für humanitäre Hilfe bleibt geöffnet
Der Nordwesten Syriens gehört seit Jahren zu einer der umkämpftesten Regionen der Welt. Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Nun konnte die Schließung einer der wichtigsten Grenzübergänge nach Syrien abgewendet werden. Damit sind Hilfslieferungen von der Türkei nach Nordwest-Syrien weiterhin möglich – jedoch nur auf begrenzte Zeit. Um die Region und das Land nach zehn Jahren Krieg endlich zu befrieden, muss sich der UN-Sicherheitsrat dringend um eine langfristige und nachhaltige politische Lösung bemühen. Ein Kommentar von Lea Meyer, Advocacy Managerin bei Save the Children Deutschland.
Am 9. Juli 2021 hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) auf die Verlängerung der sogenannten Syrien-Crossborder-Resolution geeinigt. Damit kann der Grenzübergang Bab al-Hawa von der Türkei nach Nordwest-Syrien weiterhin für grenzüberschreitende Hilfslieferungen geöffnet bleiben. Die Verlängerung ist zunächst auf einen Zeitraum von sechs Monaten (bis zum 10.01.2022) beschränkt, mit Aussicht auf Verlängerung um weitere sechs Monate (bis zum 10.07.2022), abhängig von einem Bericht des UN-Generalsekretärs.
Im Falle einer Nicht-Einigung wäre die bisherige Resolution am 10. Juli ersatzlos ausgelaufen. Medienberichten zufolge kam die Einigung kurz vor Ablauf dieser Frist durch einen Kompromiss zwischen den USA und Russland zustande. Zuvor drohte Russland damit, eine Verlängerung durch Ausnutzung seiner UN-Vetomacht zu verhindern, um eigene politische Interessen durchzusetzen.
Drohende Hungernot: Weitere Grenzübergänge müssen geöffnet bleiben
Millionen von Familien – darunter zahlreiche Kinder – sind in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zudem hat sich die humanitäre Krise etwa im Nordwesten Syriens im Vergleich zu 2020 noch verschlimmert. Eine der größten Gefahren ist die dramatisch ansteigende Ernährungsunsicherheit in der Region. Bereits jetzt sind etwa 3,3 Millionen Menschen dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Das entspricht rund 80 Prozent der Gesamtbevölkerung in diesem Gebiet. Für sie ist es ungewiss, ob und was sie am nächsten Tag zu essen haben werden.
Gemeinsam mit 27 Hilfsorganisationen hatten wir uns in einem Appell an die Mitglieder des Sicherheitsrates gewandt und die Öffnung weiterer Grenzübergänge – Bab al-Salam und Al Yarubiyah – gefordert. Wir bedauern sehr, dass der Sicherheitsrat diesem Appell nicht nachgekommen und humanitärer Zugang erneut zu einem Spielball politischer Interessen geworden ist.
Zudem reicht grenzüberschreitende Hilfe allein nicht aus: Die Studie "Anywhere but Syria" von Save the Children zeigt, dass sich rund 80 Prozent der syrischen Kinder keine Zukunft in ihrem Land vorstellen können. Der UN-Sicherheitsrat muss sich daher dringend um eine politische Lösung im Syrien-Konflikt bemühen, damit Syrer*innen eine langfristige Perspektive haben.
Unsere Nothilfe für Syrien
Save the Children ist seit Beginn des Syrien-Konflikts vor Ort. In Nordsyrien unterstützen wir Kinder und ihre Familien mit Hilfe von lokalen Partnerorganisationen, die – oft unter gefährlichen Bedingungen – in verschiedenen Regionen Syriens tätig sind. Darüber hinaus helfen wir geflüchteten Kindern und ihren Familien in den Nachbarländern Jordanien, Ägypten, Irak, Libanon und Türkei. Dabei geht unsere Nothilfe zehn Jahre nach Ausbruch des Konflikts weit über die reine Überlebenshilfe hinaus.