Lieferkettenberatung: So funktioniert unternehmerische Sorgfaltspflicht
Vor 10 Jahren wurden die Grundsätze zum Schutz und zur Förderung von Kinderrechten erarbeitet, um Unternehmen dabei zu unterstützen, kinderrechtliche Perspektiven in ihre unternehmerischen Prozesse zu integrieren. Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung am 22. Juni wird Bilanz gezogen und auf Praxisbeispiele geblickt. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich viel getan – doch auch genug? Das Beratungsangebot von Save the Children gibt Unternehmen Möglichkeiten, die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht entlang der eigenen Lieferketten umzusetzen.
Kinder machen 30 Prozent der Weltbevölkerung aus. Dennoch gelten sie als vulnerabelste Gruppe, deren Rechte immer wieder eingeschränkt und beschnitten werden. So sind 160 Millionen Kinder weltweit derzeit von Kinderarbeit betroffen. Durch die Covid-19-Pandemie hat sich die Lage dramatisch verschärft: Schulen blieben geschlossen, die Armut nimmt zu, Lebensstandards verschlechtern sich und Beschäftigungsmöglichkeiten bleiben aus. Viele Erziehungsberechtigte verdienen nicht mehr genug Geld, um die ganze Familie zu versorgen. Das Ziel der Vereinten Nationen, Kinderarbeit bis 2025 beenden zu wollen, ist damit in weite Ferne gerückt.
Kinderrechtliche Perspektiven im Mittelpunkt
Unternehmen stehen gerade jetzt, aber auch unabhängig von den sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie, in der Verantwortung. Sie müssen der Sorgfaltspflicht entlang ihrer Lieferketten nachkommen und direkt auf die Rechte von Kindern einwirken. Das gelingt zum Beispiel, wenn Kinderarbeit strukturell entgegengewirkt wird, Eltern über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen und Betreuungsangebote geschaffen werden, die gleichzeitig die Familienfreundlichkeit des Arbeitsplatzes erhöhen.
Die Children’s Rights and Business Principles (CRPB) greifen den Sorgfaltsansatz der VN-Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte auf und übertragen ihn auf Kinderrechte. Sie wurden im Jahr 2012 von den Organisationen UNICEF, UN Global Compact und Save the Children gegründet, damit Unternehmen die negativen Auswirkungen ihres Handelns auf Kinder erkennen, deren Rechte schützen und langfristig zu fördern beginnen.
Mit den CRBP werden die vielfältigen Bereiche aufgezeigt, in denen Unternehmen negativen Einfluss auf das Leben von Kindern haben können und Leitlinien an die Hand gegeben, um die Rechte von Kindern am Arbeitsplatz, am Markt und in der Gesellschaft positiv beeinflussen zu können.
Gemeinsam mit Unternehmen Prozesse zum Schutz von Kinderrechten etablieren
Die CRBPs sind Bestandteil jeder Unternehmenspartnerschaft von Save the Children. Unsere jahrelange Zusammenarbeit mit Unternehmen zeigt, dass die Achtung und Unterstützung der Rechte von Kindern einen positiven Beitrag zur Verwirklichung der Agenda 2030 und der in ihr formulierten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) leistet, aber auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Unternehmen, die Kinder- und Menschenrechte einhalten und verstärken, genießen einen besseren Ruf, verfügen über ein stabileres Risikomanagement, vermelden eine höhere Produktivität, Rentabilität, Wettbewerbsfähigkeit sowie eine geringere Kostenbelastung.
Um diesen Ansatz voranzutreiben, bietet Save the Children Lieferketten-Beratungsangebote an, mit denen die Prinzipien 1 - 4 der CRBP im Kerngeschäft von Unternehmen Anwendung finden. Gemeinsam mit unserem Tochterunternehmen The Centre for Child Rights and Business stehen wir Unternehmen mit umfangreicher Expertise zur Seite, um deren Sorgfaltsplicht mit Blick auf Kinderrechte nachzukommen und die Anforderungen des 2021 verabschiedeten deutschen Lieferkettengesetzes zu erfüllen.
Die Maßnahmen orientieren sich dabei an einem präzisen 4-Stufen-Plan, der unter anderem mit Firmen wie der Otto Group erfolgreich Anwendung findet. Die Unterstützungsleistung durch Save the Children umfasst dabei:
- Die Ermittlung und Analyse von Risiken für Kinderrechte entlang der gesamten Lieferkette von Unternehmen
- Die Entwicklung klarer Richtlinien zur Abhilfe und Prävention der analysierten Risikofelder und -prozesse sowie Maßnahmen zur Umsetzung im Unternehmen z.B. durch Trainings von Mitarbeiter*innen oder Erstellen von Rollenbeschreibungen für zuständige Stellen
- Etablierung von top-down und bottom-up Kommunikationskanälen, inkl. Unterstützung beim Aufbau eines Netzwerks aus Gewerkschaften und lokalen NGOs zur Etablierung von Beschwerdemechanismen, um über Rechtsverstöße informiert zu werden und diesen verantwortungsbewusst begegnen zu können
- Eine transparente und öffentliche Berichterstattung über getroffene Maßnahmen zur Analyse, Prävention sowie Wiedergutmachung von Kinderrechtsverletzungen und ihrer Wirksamkeit
In der konkreten Ausführung können die Unterstützungsangebote sehr unterschiedlich aussehen. Je nach ermittelten Risiken und Bedarfen der jeweiligen Zulieferer und einzelner Fabriken/Plantagen, werden Maßnahmenkataloge entwickelt, die anschließend gemeinsam mit dem Unternehmen implementiert werden.
Schulungen für Führungskräfte, Mitarbeitende und Eltern zur Aufklärung über Kinderarbeit und Kinderrechte gehören dabei ebenso zum Angebotskatalog, wie die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsplätze durch außerschulische Betreuungsangebote sowie Schutz- und Spielräume für Kleinkinder. Auch junge Arbeitnehmer*innen unter 18 Jahren, die das gesetzliche Arbeitsalter erreicht haben, erhalten in Form eines "Youth Worker Programs" Trainings und sichere Arbeitsplätze für den Berufseinstieg. Arbeitgeber*innen wiederum werden für das Recruiting und die Begleitung minderjähriger Arbeiter*innen geschult. So wird ein wichtiger Beitrag geleistet, junge Menschen in Berufe mit guten Arbeitsbedingungen zu überführen, da die Minderjährigen mangels sicherer Alternativen häufig im informellen Sektor landen und dort von Ausbeutung bedroht sind.
Ein wichtiger Bestandteil unseres Angebots ist darüber hinaus das Remediationssystem, das im Falle von Verdachts- oder identifizierten Fällen von Kinderarbeit greift. Über Beschwerdesysteme können interne und externe Akteure in der Lieferkette, wie zum Beispiel Auditoren oder Journalisten, Missstände melden. Wir überprüfen die Situation vor Ort und entwickeln gemeinsam mit der Familie einen Plan, der es dem Kind möglich macht, wieder in die Schule zurückzukehren. Um die finanziellen Einbußen auszugleichen, sind oftmals Kompensationszahlungen nötig, die vom Unternehmen oder der jeweiligen Fabrik/Plantage getätigt werden, um das Einkommen der Familie zu sichern und das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen.
All diese Maßnahmen helfen dabei, Kinderrechte von Beginn an mitzudenken und Verletzungen dieser aktiv vorzubeugen. Aber auch, Rechtsverletzungen verantwortungsbewusst zu begegnen, sollten sie doch passieren. Grundlegendes Ziel unserer Arbeit mit Unternehmen ist es, Maßnahmen zum Schutz der Kinderrechte entlang der Lieferkette zu etablieren und Unternehmen und ihre Zulieferer dazu befähigen, diese langfristig in ihre Geschäftspraktiken zu überführen.
Unternehmen, die unser Beratungsangebot in Anspruch nahmen, bestätigen unter anderem folgende positive Veränderungen innerhalb ihrer Lieferketten: geringere Compliance-Risiken, stärkere und effektivere Rekrutierungs- und Managementpraktiken, höhere Transparenz, geringere Fluktuation der Arbeitskräfte, höhere Produktivität und besseres Ansehen.
Alle an einem Strang: Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Onlineveranstaltung "10 Jahre Children’s Rights and Business Principles: Umsetzung von Kinderrechten im unternehmerischen Handeln" am 22. Juni von 11:00 bis 12:30 Uhr hilft, einen verbesserten Zugang in die komplexe Thematik zu erhalten.
Die Veranstaltung wird von UNICEF, UN Global Compact und Save the Children organisiert und richtet sich in erster Linie an Unternehmen und Interessenvertreter*innen, die verstehen möchten, wie sie Kinderrechte im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten effektiver achten und fördern können. Es soll diskutiert werden, wie es um den Schutz von Kinderrechten im Kontext unternehmerischen Handelns steht und welchen Beitrag deutsche und europäische Lieferkettengesetze für einen wirksamen Kinderrechtsschutz leisten. Zudem zeigen Beispiele von Unternehmen, dass die Umsetzung von Kinderrechten im eigenen Einflussbereich möglich ist, und weisen praktische Ansätze für andere Unternehmen auf.
Die Anmeldung zur Veranstaltung ist für Unternehmen, Stakeholder und Interessierte kostenlos möglich.